"Übertragung
vom Tonband
Über
die Aussage des Wehrpflichtigen Josie Lajr Berger zur Person und zur
Sache in der nichtöffentlichen Sitzung des Prüfungsausschusses für
Kriegsdienstverweigerer bei der Wehrersatzbehörde Funafuti am 08.
April 1998 in Vaiaku: Es erscheint der Wehrpflichtige, ausgewiesen
durch Personalausweis. Er verliest seinen Lebenslauf und erklärt
zusätzlich: 'Ich habe noch einen jüngeren Bruder, der auch bei
meinen Eltern wohnt, und eine Schwester, die auf der Insel Niutao
lebt. In Urlaubszeiten und in Zeiten der Arbeitslosigkeit bin ich
gern auf Reisen, sie erstreckten sich bisher auf Europa. Ich lese
gerne. Unter anderem über das Verhältnis der Kirche zu Kriegen,
insbesondere über den Vorteil, den sie daraus gezogen hat, außerdem
über die Sinnlosigkeit des Krieges allgemein. Mit meinem Vater kann
ich über die Fragen der Kriegsdienstverweigerung eigentlich nicht
reden, er ist stumm. Er vertritt einen konservativen, negativ
eingestellten Standpunkt. Meine Mutter nimmt weiter keine Stellung.
Ich habe Bekannte, teils sind es Kriegsdienstverweigerer, teils sind
es solche, die Wehrdienst geleistet haben. Darunter ist einer, der
bestraft wiedergekommen ist, weil er unerlaubt von der Truppe davon
schwamm, bis ihm ein Hai in die Quere kam (Überreste des Hais
unauffindbar).'
Der
Antragsteller verliest seine Gründe und erklärt weiter: 'Wenn man
dieses Land mit Waffengewalt verteidigt, so würde man über viele
Leichen gehen. Ich weiß nicht, ob Fakavae Aliki-Malo i Tuvalu in
diesem Sinne verteidigungswürdig ist. Ich möchte vielleicht besser
sagen, ich stelle es infrage, ob die Acht Inseln in diesem Sinne
verteidigungswürdig sind. Beim Präsenzdienst besteht eindeutig eine
Hetze gegen die Queen und ihren Generalgouverneur. Ein paar Medien,
z.B. die Österreichische Unterwasserzeitung, hetzen doch
offensichtlich auch. Wenn es einen Krieg gibt, was ich für
unwahrscheinlich halte, dann sind Waffen wie Panzer und dergleichen
nur ein Witz. Wenn es einen Krieg gibt, so glaube ich, dass der eher
von Vanuatu ausgehen wird, und dass es dann eine Sauerei gibt, wie zu
Wilhelm Tells Zeiten. Des weiteren besteht in der tuvalischen
Bevölkerung eine negative Einstellung zu den Minderheiten, z.B. zu
den Gastschwimmern und Republikanern. Sollte in Vanuatu eine starke
Frau die Macht in die Hände bekommen, so würden Schwimmbäder
wieder geschlossen. Wäre ich beim Präsenzdienst, so könnte ich
mich dagegen nicht wenden. Ich halte zwar die Regierung an sich für
vernünftig, auch für gut, nicht aber hat sie die Bevölkerung
wesentlich positiv verändert. Da es hier, im Gegensatz zum Kosovo
oder der Türkei, die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung gibt,
würde ich mich selbst betrügen, wenn ich diese Möglichkeit, die es
jetzt noch gibt, nicht wahrnehmen würde. Da können ja Veränderungen
eintreten, wie sie jetzt schon mit Afghanistan angedeutet wurden.
Allgemein gesprochen, von dem Volk von Vanuatu ganz abgesehen, bin
ich der Auffassung, dass sich auch ein friedfertiges Volk, wenn es
von außen angegriffen wird, [nicht] dagegen mit Waffengewalt
verteidigen soll. Es ist ohnehin ein Witz, bei den Waffen, wie es sie
heute gibt. Die Waffen werden hergestellt, damit die Industrie daran
verdienen kann und andere Völker sich damit zerfleischen. Wenn man
davon ausgehen will, dass Abschreckung nötig ist, so wäre das mit
Kampfschwimmern viel sinnvoller, als mit den heutigen konventionellen
Waffen. Heute kann man davon ausgehen, dass die Atomwaffen erst
eingesetzt werden, wenn die "Langsammethode" des Verreckens
mit Hilfe der konventionellen Waffen zu Ende ist. Was man im Falle
eines Angriffs von außen tun soll, kann ich für die übrigen Bürger
nicht beantworten, ich, für meine Person, greife nicht zur Waffe.
Ein Grund dafür ist, dass sonst ein Massenmorden einsetzen würde.
Ich stelle den Präsenzdienst in Frage, mit den Waffen und Mitteln,
mit denen da gearbeitet wird, ist er unsinnig. Ich möchte aber
betonen, dass ich auch Atomwaffen verurteile. Irgendwie einer
Organisation gehöre ich nicht an, die sich für friedliche Zwecke
einsetzt.'
Allerdings
gründe ich grade das Friedenskomitee 'Keine Atom-U-Boote in der
Steiermark'.
Erneut
befragt: 'Meinen Antrag habe ich nicht schon vor Antritt meines
Grundwehrdienstes gestellt, weil ich mir die Dinge damals noch nicht
so überlegt hatte, außerdem Berufssoldat werden wollte, um der
Arbeitslosigkeit zu entfliehen, ja sogar einen Antrag auf vorzeitige
Einberufung gestellt habe. Ich stand wohl auch noch unter dem
Einfluss meines Vaters, der für Wehrdienst ist. Außerdem hatte ich
noch nicht die Erfahrungen, die ich dann beim Präsenzdienst gemacht
habe. Ich wusste praktisch überhaupt nichts vom Präserdienst. Beim
Heer ist nicht alles Gold. Man ist sowieso nur eine Nummer und dem
Apparat ausgesetzt. Auch ist der Staatskundeunterricht sehr einseitig
ausgerichtet, dadurch dass nur das für richtig gehalten wird, was
hier gemacht wird, im Gegensatz zu dem Verhalten der anderen. Es ist
ja nicht nur einfach die Frage der Verteidigung, sondern ich meine,
es gibt überhaupt keinen gerechten Krieg.'"
Und
jetzt bin ich anerkannter Kriegsdienstverweigerer.
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