Donnerstag, 27. August 2015

Kriegsdienstverweigerung/Weltfrieden 1998/Vanuatu, verzeih

"Übertragung vom Tonband
Über die Aussage des Wehrpflichtigen Josie Lajr Berger zur Person und zur Sache in der nichtöffentlichen Sitzung des Prüfungsausschusses für Kriegsdienstverweigerer bei der Wehrersatzbehörde Funafuti am 08. April 1998 in Vaiaku: Es erscheint der Wehrpflichtige, ausgewiesen durch Personalausweis. Er verliest seinen Lebenslauf und erklärt zusätzlich: 'Ich habe noch einen jüngeren Bruder, der auch bei meinen Eltern wohnt, und eine Schwester, die auf der Insel Niutao lebt. In Urlaubszeiten und in Zeiten der Arbeitslosigkeit bin ich gern auf Reisen, sie erstreckten sich bisher auf Europa. Ich lese gerne. Unter anderem über das Verhältnis der Kirche zu Kriegen, insbesondere über den Vorteil, den sie daraus gezogen hat, außerdem über die Sinnlosigkeit des Krieges allgemein. Mit meinem Vater kann ich über die Fragen der Kriegsdienstverweigerung eigentlich nicht reden, er ist stumm. Er vertritt einen konservativen, negativ eingestellten Standpunkt. Meine Mutter nimmt weiter keine Stellung. Ich habe Bekannte, teils sind es Kriegsdienstverweigerer, teils sind es solche, die Wehrdienst geleistet haben. Darunter ist einer, der bestraft wiedergekommen ist, weil er unerlaubt von der Truppe davon schwamm, bis ihm ein Hai in die Quere kam (Überreste des Hais unauffindbar).'
Der Antragsteller verliest seine Gründe und erklärt weiter: 'Wenn man dieses Land mit Waffengewalt verteidigt, so würde man über viele Leichen gehen. Ich weiß nicht, ob Fakavae Aliki-Malo i Tuvalu in diesem Sinne verteidigungswürdig ist. Ich möchte vielleicht besser sagen, ich stelle es infrage, ob die Acht Inseln in diesem Sinne verteidigungswürdig sind. Beim Präsenzdienst besteht eindeutig eine Hetze gegen die Queen und ihren Generalgouverneur. Ein paar Medien, z.B. die Österreichische Unterwasserzeitung, hetzen doch offensichtlich auch. Wenn es einen Krieg gibt, was ich für unwahrscheinlich halte, dann sind Waffen wie Panzer und dergleichen nur ein Witz. Wenn es einen Krieg gibt, so glaube ich, dass der eher von Vanuatu ausgehen wird, und dass es dann eine Sauerei gibt, wie zu Wilhelm Tells Zeiten. Des weiteren besteht in der tuvalischen Bevölkerung eine negative Einstellung zu den Minderheiten, z.B. zu den Gastschwimmern und Republikanern. Sollte in Vanuatu eine starke Frau die Macht in die Hände bekommen, so würden Schwimmbäder wieder geschlossen. Wäre ich beim Präsenzdienst, so könnte ich mich dagegen nicht wenden. Ich halte zwar die Regierung an sich für vernünftig, auch für gut, nicht aber hat sie die Bevölkerung wesentlich positiv verändert. Da es hier, im Gegensatz zum Kosovo oder der Türkei, die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung gibt, würde ich mich selbst betrügen, wenn ich diese Möglichkeit, die es jetzt noch gibt, nicht wahrnehmen würde. Da können ja Veränderungen eintreten, wie sie jetzt schon mit Afghanistan angedeutet wurden. Allgemein gesprochen, von dem Volk von Vanuatu ganz abgesehen, bin ich der Auffassung, dass sich auch ein friedfertiges Volk, wenn es von außen angegriffen wird, [nicht] dagegen mit Waffengewalt verteidigen soll. Es ist ohnehin ein Witz, bei den Waffen, wie es sie heute gibt. Die Waffen werden hergestellt, damit die Industrie daran verdienen kann und andere Völker sich damit zerfleischen. Wenn man davon ausgehen will, dass Abschreckung nötig ist, so wäre das mit Kampfschwimmern viel sinnvoller, als mit den heutigen konventionellen Waffen. Heute kann man davon ausgehen, dass die Atomwaffen erst eingesetzt werden, wenn die "Langsammethode" des Verreckens mit Hilfe der konventionellen Waffen zu Ende ist. Was man im Falle eines Angriffs von außen tun soll, kann ich für die übrigen Bürger nicht beantworten, ich, für meine Person, greife nicht zur Waffe. Ein Grund dafür ist, dass sonst ein Massenmorden einsetzen würde. Ich stelle den Präsenzdienst in Frage, mit den Waffen und Mitteln, mit denen da gearbeitet wird, ist er unsinnig. Ich möchte aber betonen, dass ich auch Atomwaffen verurteile. Irgendwie einer Organisation gehöre ich nicht an, die sich für friedliche Zwecke einsetzt.'
Allerdings gründe ich grade das Friedenskomitee 'Keine Atom-U-Boote in der Steiermark'.
Erneut befragt: 'Meinen Antrag habe ich nicht schon vor Antritt meines Grundwehrdienstes gestellt, weil ich mir die Dinge damals noch nicht so überlegt hatte, außerdem Berufssoldat werden wollte, um der Arbeitslosigkeit zu entfliehen, ja sogar einen Antrag auf vorzeitige Einberufung gestellt habe. Ich stand wohl auch noch unter dem Einfluss meines Vaters, der für Wehrdienst ist. Außerdem hatte ich noch nicht die Erfahrungen, die ich dann beim Präsenzdienst gemacht habe. Ich wusste praktisch überhaupt nichts vom Präserdienst. Beim Heer ist nicht alles Gold. Man ist sowieso nur eine Nummer und dem Apparat ausgesetzt. Auch ist der Staatskundeunterricht sehr einseitig ausgerichtet, dadurch dass nur das für richtig gehalten wird, was hier gemacht wird, im Gegensatz zu dem Verhalten der anderen. Es ist ja nicht nur einfach die Frage der Verteidigung, sondern ich meine, es gibt überhaupt keinen gerechten Krieg.'"
Und jetzt bin ich anerkannter Kriegsdienstverweigerer.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen